Anfang März hat die IVF Hartmann AG in Neuhausen am Rheinfall ihr neues, hoch automatisiertes Logistikzentrum in Betrieb genommen. Laut CEO Claus Martini ein weiterer, entscheidender Schritt in die Zukunft. Interview von Rolf Fehlmann
Die Investition in das neue Logistikzentrum in Neuhausen am Rheinfall ist einer der grössten in der 150-jährigen Geschichte Ihrer Firma. Warum kommt diese Investition gerade jetzt?
Claus Martini: In den letzten Jahrzehnten hat die IVF Hartmann AG in der Schweiz immer wieder Logistikstandorte dazubekommen; diese waren aber nie konsolidiert worden. So musste unser Lastwagen oftmals mehr als einen Lagerstandort anfahren, um Ware für eine Kundenbestellung zu laden, und das ist teuer. Dank eines einzigen, grossen Logistikzentrums in Neuhausen am Rheinfall schaffen wir diese Konsolidierung. Das Projekt war von langer Hand vorbereitet worden. Mit dessen Umsetzung tut die IVF Hartmann AG einen grossen Schritt nach vorne – auch, weil Logistik als Differenzierungsfaktor für unser Unternehmen immer wichtiger wird.
Eifert die IVF Hartmann AG Amazon nach?
Martini: Von allem, was Amazon richtig macht, können wir einiges lernen. Wenn man bedenkt, dass der Versandhändler in vielen Städten schon die Vier-Stunden-Lieferung kennt, müssen wir uns drauf einstellen, unsere Lieferfähigkeit noch weiter zu steigern. Darum stellen wir uns auch in der Logistik stark auf, damit die Amazons dieser Welt es nicht irgendwann attraktiv finden, in unseren Sektor einzutreten. Allerdings arbeiten wir in einem spezialisierten Umfeld, bei dem es nicht nur um Logistik geht. Diese ist jedoch ein bedeutender Faktor für unseren Erfolg. Unser neues Logistikzentrum entspricht dem neusten Stand der Technik; und es ist hochgradig und flexibel automatisiert. Das versetzt uns in die Lage, sehr schnell liefern zu können. Für unsere Kunden sind Liefersicherheit und Lieferservice von grösster Bedeutung.
Ihre Kunden haben ja auch hohe Erwartungen an Ihr Unternehmen …
Martini: Im Vergleich mit manchen anderen Ländern ist der Serviceanspruch in der Schweiz in der Tat deutlich höher. Wir wollen unseren Kunden weiterhin einen erstklassigen Service bieten. Das gilt für unsere Businesskunden wie beispielsweise Pflegeheime und Spitäler; es gilt aber auch für unser immer wichtiger werdendes Konsumentengeschäft. Darum ist Logistik wichtig, und darum investieren wir in neuste Technik. Allerdings ist Technologie kein Selbstzweck: Über diese Investitionen müssen wir besser werden, auch besser als der Wettbewerb.
Kunden in der Schweiz können jetzt also mit einem noch besseren, noch schnelleren und noch zuverlässigeren Lieferdienst rechnen?
Martini: Gerade Corona hat uns da wieder einiges gelehrt. Am Anfang der Pandemie haben wir gesehen, wie schnell auch Europa die Grenzen zumacht und wie abhängig von Europa wir in einem solchen Fall sind. Darum geben ein Logistikstandort und ein Lager in der Schweiz unseren Kunden hohe Servicequalität und Liefersicherheit. Das ist immer wichtig, nicht nur in Coronazeiten. Nehmen Sie zum Beispiel an, unser Lastwagen muss ganz dringend eine Bestellung an ein Spital liefern, weil dieses eine Operation durchführt. Bleibt nun der LKW an der Grenze hängen, kommt er möglicherweise zu spät und die Operation kann nicht wie geplant stattfinden, weil Material fehlt. Das wollen wir unter allen Umständen verhindern.
Das neue Logistikzentrum trägt also auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen am Standort Neuhausen am Rheinfall bei?
Martini: Unser Fokus richtet sich immer darauf, insgesamt wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir stellen uns natürlich die Frage, für welche Produkte macht es am meisten Sinn, sie in der Schweiz zu fertigen. Wir entwickeln uns aber in anderen Bereichen parallel stark weiter. Zum Beispiel bei der logistischen und digitalen Kompetenz, die wir hier Schritt für Schritt auf- und ausbauen. Dazu zählt beispielsweise auch unsere Kompetenz, Endkonsumenten verstärkt zu bedienen. Von daher werden sich die Arbeitsinhalte hier in der Schweiz weiter wandeln. Bezogen auf Ihre Frage heisst das: Ja, auf jeden Fall ein Bekenntnis zum Standort Neuhausen am Rheinfall, wo wir ja auch sehr erfolgreich unterwegs sind. Veränderungen jedoch wird es weiterhin geben – wäre die IVF Hartmann AG im Laufe ihrer 150-jährigen Geschichte nicht in der Lage gewesen, sich zu wandeln, gäbe es sie heute nicht mehr.
Der Blick ist in die Zukunft gerichtet
Mit der Eröffnung des lang geplanten Grossprojekts im Jahr des 150. Jubiläums der IVF HARTMANN AG beweist das Unternehmen, dass viel Innovationskraft in ihm steckt. Claus Martini dazu: «Unsere Strategie in ein hochmodernes Lager am Schweizer Standort zu investieren, um so die Liefersicherheit und Lieferqualität weiterhin garantieren zu können, erweist sich gerade im schwierigen Corona-Umfeld als goldrichtig.» Auch nach 150 Jahren Erfahrung im Markt für medizinische Verbrauchsgüter zeigt das Traditionsunternehmen, dass es sich laufend weiterentwickelt, um den sich wandelnden Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden.